Ein bisschen wehmütig war’s schon in der Sittenser KGS Ostetalschule, als die Bremer Kultband ZOLLHAUSBOYS and ONE GIRL nach insgesamt sieben Jahren deutschlandweiter Aufführungen nun Ende September ein zweites, aber auch letztes Mal zu erleben war. In ihrem Programm „Schlusskurve“ präsentierten sie noch einmal eine fulminante Bühnenshow aus Songs, Poetry und Kabarett.
Die sympathischen drei Boys aus Syrien und aus Bolivien sowie die junge begabte Künstlerin und Songwriterin Selin Demirkan aus der Schweiz mit ihrer markanten Stimme haben sich seit 2017 in Deutschland gefunden und sind hier vom erfahrenen Sänger, Kabarettisten und „Bremer Stadtkomödianten“ Pago Balke zu einer Kultband zusammengeschmiedet worden. Kein Wunder, dass Themen wie Politik und Migration, die eigenen Fluchterfahrungen und ihre oft hürdenreichen Wege zur Integration im für sie fremden Deutschland, aber auch Freundschaft und Liebe den Schwerpunkt ihrer Auftritte bildeten.
Mit solchen Themen aus ihrem eigenen Leben und ihren vielfältigen künstlerischen Begabungen gelang es ihnen auch an diesem Abend immer wieder, ihr Publikum musikalisch, satirisch und erzählerisch zu begeistern, zu berühren und zu erheitern.
Bewegend, fast verstörend ist es, wie z. B. die Erinnerungen an ihre Kindheit und das Heimweh nach dem heute kriegszerbombten Aleppo oder Kobane sich in Liedern und Texten durch die Programmpunkte ziehen: „Das ist Aleppo, da komm ich her, ich floh über Land, ich kam übers Meer, so wie es war, das gibt es nicht mehr“, singen sie mit unverstellter Natürlichkeit und aufrichtiger Glaubwürdigkeit.
Und dann werden Gefühle wie Sehnsucht und Schmerz musikalisch vorgetragen, Kontakte zur Familie, die nur übers Handy möglich sind, wehmütig besungen, Einsamkeit und dennoch Hoffnung auf ein Wiedersehen in der Heimat thematisiert, aber auch sehr amüsant erste Begegnungen mit dem für sie fremden Essen in Deutschland kabarettistisch dargeboten und Liebe und „Schmetterlinge im Bauch“ offen angesprochen.
Und dennoch: bei allen schlimmen Erfahrungen sind sie bereit, den Humor niemals zu verlieren (und singen fröhlich: „Habibi lass uns tanzen“). Sie glauben an sich und an ihre Zukunft, sind durch ihre Arbeit in der Band gut integriert (und bekannt) und werden ihren Weg machen, studieren und Arbeit finden. Alle im Publikum werden (ihnen das gewünscht haben am Ende dieses Abends und sie werden) vor diesen symphatischen jungen Künstlern mit den Worten von Pago Balke aus seiner Schlusshymne an „seine“ ZollHausBoys gerne einstimmen in den Refrain „Hey Jungs, ich zieh vor euch den Hut“.
Der Sittenser Flüchtlingshilfeverein EWiS, „Eine Welt in Sittensen“, hatte diese außergewöhnliche Gruppe schon zum zweiten Mal nach Sittensen geholt. Ingrid Kohnert, die Vorsitzende von EWiS, hatte anfangs in ihrer Begrüßung (zu Recht) darauf hingewiesen, dass die Themen Flucht und Migration, Asyl und Integration in Politik und Gesellschaft (noch immer) nicht fair und angemessen behandelt werden. Gerade in letzter Zeit seien europaweit leider unübersehbar rechte Strömungen am Werk, die Menschen, die bei uns Schutz vor Terror, Gewalt und Krieg suchen und um Asyl bitten, sehr ablehnend bis gewalttätig begegneten und geplant ist, sie an der Grenze abzuweisen. We are one world!
Ein Konzertbesuch bei den ZOLLHAUSBOYS wäre für solch Unbelehrbare bestimmt sehr empfehlenswert!
Die Konzertveranstaltung in der Ostetalschule KGS Sittensen wurde mit freundlicher Unterstützung von Carsten Siefke (Purple Moon) und der Crew der Licht&Ton-AG realisiert.
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26.10.2024