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Ein Trip in den Wahnsinn nach HAMLET an der Ostetalschule KGS Sittensen


„Kennt ihr schon die Geschichte von Hamlet?“, so lädt uns Horatio (wohl kalkuliert: Clemens Voß) ein, wenn wieder Theater-Zeit ist an der Ostetalschule KGS Sittensen. Klar, kennen wir die allseits beliebte Geschichte des melancholischen Dänen-Prinzen - und sie ist schnell erzählt: der Vater, so die Vorgeschichte, wird von Onkel und Mutter ermordet, fordert in einer Geistererscheinung den Filius dazu auf, ihn zu rächen. Dem Plan, den verschleierten Mord öffentlich zu machen, fällt seine Liebe Ophelia zum Opfer, die sich das Leben nimmt; am Ende sind alle entscheidenden Personen am Hofe tot. So weit, so Klassiker! - Aber dieser löst sich bei genauerer Lektüre ziemlich auf in eine Vielzahl von Leerstellen.

Und genau da setzt der Kurs Darstellendes Spiel Q12 (Abitur 2024) an und gibt klare Antworten: Den Über-Klassiker kondensieren sie zu einem ziemlich düsteren Trip in den Wahnsinn. Gruselig erscheint der verdreifachte Vater (Torben Osterholz, Johannes Hellmers, Vanessa Seeba), der den trauernden Sohn beauftragt, den eigenen Tod zu rächen. Aus dem melancholischen wird ein verstörter (und verstörender) Junge, den Justus Wiener mit großer Körperlichkeit darstellt, weil die massive Präsenz im Widerspruch zu seiner Orientierungslosigkeit steht: stark! Nach anfänglichen Zweifeln, was aus der Weisung zur Rache folgen solle, zersplittert seine Identität: angeführt Marisa Wichern (beängstigend durchgeknallt) sorgen die acht ganz in schwarz gekleideten Wahnsinns-Hamlets mit geweißtem Gesicht mal für tierische Unterhaltung, mal für eine bedrohliche Kulisse, die den zaudernden Hamlet zum Handeln treibt (Class Böttcher, Emily Kaiser, Lasse Lilienweiß, Jonathan Meyer, Leonie Postels, Darlin Reschke, Khadija Roshaan). Sowohl die gut überlegte Choreographie als auch das chorische Sprechen, das sich zu manch packenden Stimmskulpturen fügt, können überzeugen.

Während Sam Wolff den neuen König als ziemlich selbstgefälligen Machtmenschen mit einigen ikonischen Gesten porträtiert, ist die Königin zunächst einfach nur bildschönes Beiwerk, bis sie - angesichts des psychischen Verfalls ihres Sohnes - hin- und hergerissen zwischen der Beteuerung, am Geschehen unschuldig zu sein und der Erkenntnis, selbst - zumindest teilweise - Schuld auf sich geladen zu haben, zusammenbricht - ihrem Tod gibt sie sich folgerichtig fast gleichmütig hin (umsichtig dargestellt von Paulina Aljes).

Geht es um Macht oder Rache, wird die Liebe geopfert: Während Polonius (hart: Paul Eichler) und sein wütender Sohn Laertes (explosiv: Noah Hannes) klar Stellung gegen Hamlet beziehen, verzweifelt die verliebte Ophelia im Netz der Intrigen und Geheimnisse (so lebensfroh und liebenswert wie berührend: Zoe Klindworth). Und wenn am Ende alle tot sind, bleibt Horatio allein übrig, um uns ziemlich süffisant mitzuteilen, nun habe das Reich eben einen neuen König, nämlich den, dem er unterstellt ist. Es lebe die englische Krone! Was für ein Zynismus: mutig! Bei so viel Wahnsinn und Verzweiflung sorgen Rosencrantz (ziemlich dominant: Lenja Falk) und Güldensten (herrlich dämlich: Lüder Wölbern) für wunderbar skurril-komödiantische Momente: top!

Dieses Spiel um Sein und Nicht-Sein haben die Schüler:innen des Kurses Darstellendes Spiel Q12 auf der Grundlage einer Hamlet-Bearbeitung selbst verfasst und inszeniert, wobei die Kursleitung in den engagierten Händen von Anne Burkhardt lag; die Umsetzung hat Tina Somann begleitet.
Weiter so!